Peter "Doc" Hedrich erinnert an alte Zeiten

- Peter Hedrich

Peter Hedrich (rechts) mit seinem VSG-Team.

Kurz vor der Feier zu „50 Jahre Volleyball im VfB Friedrichshafen“ kommen viele Erinnerungen hoch. Auch bei Peter Hedrich, der den Verein viele Jahre lang als Spieler, Spieler(-Trainer) und Teammanager begleitet hat.

Volleyball am Bodensee vor 50 Jahren: VfB und TV Langenargen in der Landesliga. TV Kressbronn und TSV Lindau in der Bezirksliga. Heute: VfB etablierter führender deutscher Bundesligist. Und die anderen?
„Wie haben die das wohl geschafft?“, werden sich die in den Landesligen kickenden Fußballer und Handballer vielleicht insgeheim fragen?

Peter Hedrich, damals gerade vom früheren Deutsche Meister Alemannia Aachen als promovierter Ingenieur zur MTU gekommener Jung-Manager hatte bei TV Langenargen angeheuert. An einem Abend nach dem Training, als man Bierle zusammen saß, kam das Thema spontan und unvorbereitet auf den Tisch. Fritz Hensinger, Friedrichshafener Lehrer in Langenargen fragte sinngemäß in die Runde: „Ist es das jetzt? Oder sollen wir vielleicht mehr versuchen?“ Elmar Hotz, Eugen Schlipf, Manfred Erhardt und andere Führungsspieler griffen das Thema auf: „Die besten Spieler von Lindau, Kressbronn und VfB abwerben?“ Nee, das hatte in Langenargen mit seinen beschränkten Mitteln und der niedrigen Halle keine Chance. „Spielgemeinschaft“! Plötzlich war sie da, die neue Zauberfomel. „Modellfall für Kooperation im Sport“ titelte später die Schwäbische Zeitung mit einem sehr qualifizierten Artikel.
Aber wie überzeugen wir die vier Abteilungsleiter und die vier Vereinspräsidenten, eine „gemeinsame erste Volleyballmannschaft“ aufzustellen? Unendliche Probleme! 
Schwer genug. Und viele, viele Gespräche und Abende, Nächte. Und dann war da auch noch der Landesverband Volleyball für Württemberg. VLW-Präsident und Spieler bei TUS Stuttgart, Jörg Schwenk: „So was gibt’s bei uns nicht.“ In mehreren Vollversammlungen des VLW hielt Peter Hedrich flammende Plädoyers für die Volleyball-Spielgemeinschaft VSG Bodensee. Und er konnte die Mitglieder von der VSG-Idee überzeugen. Die Satzungsänderung wurde unterschrieben. Makabres Ergebnis an der Seitenlinie: TUS Stuttgart – quo vadis? Der Bodensee-Volleyball wurde zusammen mit Berlin die Nr. 1 in Deutschland. „Mit TUS ist Schluss“ skandierten die Fans nicht zimperlich.

Wie war nun der Weg dahin? Peter Hedrich hat regelmäßig eine kleine Chronik geschrieben. Daraus entnehmen wir:

Step 1: Erster Versuch der VSG in der Oberliga mit Arthur Bronner als Trainer und 5 Spielern von TVL, die zuvor den Aufstieg von der Landesliga in die Oberliga geschafft hatten. Zusätzlich 2 Spieler von Lindau, 3 Spieler vom VfB (Wolfgang Pakulat, Reinhold Staiger und Erich Trautwein) und Dino Maier vom TVK. Ergebnis: 2. Platz. Aufstiegs-Play offs gegen TB München: 0:3 und zu Hause 3:2. Also kein Aufstieg. Mehrere der älteren Leistungsträger stiegen aus. Lindau gab die VSG auf. Kleine Anfangsprobleme oder „Spielgemeinschaft geht doch nicht?“ Und sie geht doch. Mit Roland Staiger und dem VfB.

Step 2: Aber auch nur eine Saison mit dem Großteil Friedrichshafener VfB-Spieler. Es reichte leider nicht. Letzter Platz in der Oberliga. Zurück in die Verbandsliga, die es jetzt neu gab. „Wir brauchen jetzt einen neuen, ganz jungen Anfang und müssen das Ziel Regionalliga ganz gründlich von unten aufbauen.“

Step 3: Kressbronn hatte fünf Junge. Die Brüder Zürn und Heimpel sowie Dino Maier. Plus 2 Spieler vom VfB (Wolfgang Pakulat und Pipe Heublein), 
und zwei Spieler vom TVL (Manfred Erhardt und Spielertrainer Peter Hedrich). Das war der harte Kern für den einmaligen Weg durch die Ligen. Spielertrainer und Ex-Leichtathlet Doc Hedrich. „Die Jungen haben das neue, sehr athletisch geprägte Training – auch ohne Ball im Wald – begeistert mitgemacht“. Der Erfolg: Zweiter Platz hinter TUS Stuttgart II und Aufstieg.

Step 4: Wieder Oberligist Baden-Württemberg. Letzter Spieltag bei FT Freiburg. Ein Sieg musste her. 3:2 knapp für die VSG. Punktgleich mit TV Hausach: 22:6. Satzverhältnisse: 36:23 VSG, 34:22 Hausach. Wer ist nun Aufsteiger? Nachts um 4 Uhr wars klar: Quotientenverfahren. VSG!!! 1,56 gegen 1,54. Zwei Hundertstel. Sorry Hausach. Das waren nette Jungs.

Step 5:
Regionalliga 1976/77. Das war das Ziel gemäß VSG-Satzung! Vier Jahre zur Zielerreichung. Und was machen wir jetzt?

Die Mannschaft hatte einen neuen Spieler. In einem Pokalspiel ein Jahr davor in der kleinen Kressbronner Parkturnhalle VSG gegen TUS Stuttgart (Bundesligist). 2:2 Nach 4 Sätzen. Dann kam auf Stuttgarter Seite Gelu Smerecinschi, von Dynamo Bukarest nach Stuttgart gekommener Vize-Weltmeister. Relativ bald handelten sich Doc und Gelu zusammen eine gelbe Karte ein … und wurden Sportsfreunde. 1976 wurde der Bukarester Ingenieur Betriebsmittelkonstrukteur bei ZF und Volleyballspieler bei der VSG.
Das 14. Regionalliga-Spiel war VSG gegen den ungeschlagenen Tabellenführer SV Lohhof. In die Schreienesch-Halle kamen etwa 500 Zuschauer. Peter Matzke machte einen spannenden Video-Film mit Happy End. Mit viel Kampfgeist machte die VSG aus einem 0:2-Rückstand ein 3:2. Der Zuschauer-Boom in Friedrichshafen war geboren! Aber erneuter Aufstieg? Fehlanzeige. 5. Platz. Die Regionalliga erwies sich insbesondere mit den bayrischen Mannschaften als harter Brocken.

Steps 6/7/8: Noch dreimal Regionalliga. Vor der Saison 1979/80 hatte der Doc seine Mannschaft nach Brasilien geführt. Mercedes-Benz do Brazil und die Airline Transbrazil mit Commandante Fontana bereiteten spannende Spiele gegen brasilianische Topmannschaften im ganzen Land vor. Im letzten Spiel gegen Flamengo Rio de Janeiro wechselte sich der Doc zum letzten Mal aus und übergab den Spielertrainer an Gelu Smerecinschi, der inzwischen den Namen Stein angenommen hatte. Und der hatte offensichtlich etwas vor.
In der folgenden Regionalliga-Saison war der letzte Gegner der traditionelle FT Schwabing in der Halle an der Dachauer Straße. Die Schwabinger hatten die Aufstiegsfeier schon organisiert. Doch es kam zum Tie-Break. 15:9 für die VSG. Und wieder Quotientenverfahren bei 40:4 Punktgleichheit: 3,70 : 3,55 zugunsten der VSG.  rstmals zweite Bundesliga! Die große mitgereiste Fangemeine war außer sich.

Step 9: Ist die VSG überhaupt noch zu stoppen? Gelu hatte seine Spieler voll erreicht. Die zweite Liga war eigentlich nur eine Durchgangsstation in der neuen Bodensee-Sporthalle. „Volleyball ersetzt das Nachtleben in Friedrichshafen“, war ein beliebter Slogan. Doch der Endkampf war wieder hart. Mit TUS Stuttgart. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird es Jörg Schwenk wohl bereut haben, dass er die Spielgemeinschafts-Paragraphen 1972 genehmigt hatte. Im letzten Zweitligaspiel der Saison 1980/81 am 14.03.1981 beim USC Freiburg musste ein Sieg her. Die Halle war fest in Häfler Hand. Mehrere Kleinbusse und viele PkWs mit FN-Kennzeichen standen vor der Halle. 15:10 und 15:1 stürmte die VSG voran. Aber es gab eine kleine Störung: 12:15. Als es im 4. Satz aber 14:10 stand, erwischte Mittelblocker Roger Heimpel  das Zuspiel seines Bruder Benno perfekt und verwandelte den historischen Bundesliga-Matchball ohne Widerstand. Der Jubel auf dem Feld und auf der Tribüne war ungebremst. Mit der VSG Bodensee war ein neues Mitglied in der deutschen Bundesliga geboren. Die nächtliche Heimfahrt wurde für eine Riesenparty im Gasthof Himmelreich unterbrochen.
Dieser eine erfolgreiche Angriff von Roger hat die Bundesligaweichen auf unnachahmliche Weise für Friedrichshafen gestellt. Sind sich diejenigen, die sich heute im Bundesligavolleyball sonnen oder ihr Einkommen damit verdienen, dessen bewusst? Das Jubiläum ist eine Möglichkeit, dieses ganz besondere historische Ereignis durch die heutigen Verantwortlichen zum Ausdruck zu bringen. Heee-roppp, Roger, VSG und alte Fans!